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Museale Elfenbeintafel „Konsulardiptychon“ für den Konsul Flavius Anicius Petronius Probus

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Höhe: 29,5 cm.
Breite: 13 cm.
Elfenbeinplattenstärke: 1 cm, leicht konvex gewölbt.
Wohl 406. n. Chr. In spezialgefertigter moderner Kassette.

Elfenbein, hell-honigbraune Patina, an der Rückseite dunkler, feine Schwundrisse im Elfenbein, partiell Korrosionen, Abriebe an den Höhen der Reliefseite.
H. 29,4 cm. Br. 13 cm. Elfenbeinplattenstärke 1 cm.,
(Maße der Elfenbeintafeln in Aosta: 29,9 x 13,1 cm.)
leicht konvex gewölbt. Ca. 384 Gramm. Drei Lochungen in der linken Rahmenleiste, üblicherweise ehemals mit Edelmetallnieten versehen, die obere Lochung mit kleinem altem Ausbruch. Der Stab im oberen Teil teilweise ausgebrochen.
Museale Elfenbeintafel für den Konsul Flavius Anicius Petronius Probus entsprechend dem Exemplar um 406 im Domschatz Santa Maria Assunta zu Aosta, Italien.

Beigegeben ein Sachverständigengutachten für Elfenbein, Matthias Streckfuß, Berlin, vom 20.9.2019.
Gutachten Dr. Alexander Rauch, München-Leipzig, darin Ergebniszustimmung von Dr. Werner Schäfke, Althistoriker und Kunsthistoriker in Köln, 2022.
CITES-Dokument, Köln, vom 9. Januar 2020.
Sowie umfangreiches Literaturmaterial beigeben.

Zu Beginn des 5. Jahrhunderts entsteht im politischen Zusammenhang mit der Erhebung eines hohen römischen Beamten in die Konsulatswürde eine neue Kunstgattung: die sogenannten „Konsulardiptychen“.
Dabei haben wir es regelmäßig mit zwei reliefierten Elfenbeintafeln zu tun, die, Buchdeckeln entsprechend, im Innern die Amtserhebung eines neuen Konsuls als Schriftstück (Kodizil) enthielten. Die Vorderseite einer der Tafeln zeigt den Herrscher, die zweite den neu ins Amt erhobenen Konsul. Nicht ohne Stolz hat dieser damit zahlreichen Persönlichkeiten, Politikern, Verwandten etc. seinen neuen Rang kundgetan, und zwar in Form solcher in Elfenbein gearbeiteten Diptychen. Sie wurden gleichzeitig, formgleich und stets in hoher Zahl gefertigt, zur Versendung an die im Ost- und Weströmischen Reich verstreut ansässigen Empfänger. Dies war nötig, um die neu erworbene Amtswürde in Verbreitung mitzuteilen. Entsprechend hoch war auch die Zahl der gleichgestalteten Exemplare (s. u. Lit. Cameron 2013, 176).
1929 hat sich die Forschung grundlegend mit diesen „Konsulardiptychen“ befasst. Dabei hat der Archäologe und renommierteste Autor zum Thema, Richard Delbrück bemerkt: „Der Kreis der Empfänger (solcher gleicher Diptychen) muss groß gewesen sein.“ (s. Lit.). Weitere Untersuchungen (Eastmond, s. Lit.) haben festgestellt, dass um die 100 Exemplare eines einzigen Vorbildes verschickt wurden, wobei ein besonders gestaltetes Exemplar, oft vergoldet und bemalt, jeweils der Kaiser als Dank für die Auszeichnung erhielt.
Die Werkstätten dafür befanden sich überwiegend im westlichen Rom, wie auch in Trier, Arles, Ravenna oder Mailand. Nach Meinung des Experten spricht im vorliegenden Fall manches für eine Fertigung in Konstantinopel, da Honorius Kaiser in Ostrom war. Von den vielen Exemplaren haben sich nur wenige, oft nur ein einziges, erhalten. Eines der Bekanntesten befindet sich im Domschatz-Museum Santa Maria, in Aosta, Italien. Dort sind beide Tafeln erhalten.
Das uns hier vorliegende Exemplar, das den Konsul zeigt, entspricht formal dem besser erhaltenen in Aosta.

Die Tafeln im Museum zu Aosta:
Die dort befindlichen beiden Tafeln zeigen den Kaiser Honorius, der den Konsul ins Amt erhoben hat. Flavius Honorius, geb. 384 in Konstantinopel, war ab 395 Kaiser (erst im Knabenalter, durch den Heerführer Stilico vertreten) und starb 423 in Ravenna. Sein Reliefbild zeigt ihn in Rüstung mit Kugel, darauf Victoria, sowie einer Standarte, beschriftet: „IN NOMINE CHRISTI VINCAS SEMPER“ (im Namen Christi wirst du immer siegen). Das Gegenstück zeigt – wie auch hier – den Konsul
Flavius Anicius Petronius Probus
(im Amt 395-406). Er entstammte einer wohlhabenden Familie und war Sohn des Konsuls Sextus Claudius Petronius Probus. Im Jahre 395 wurde er von Kaiser Honorius zum Quästor ernannt, 406 zum Konsul, im Kollegium des oströmischen Kaisers Arcadius.

Die hier vorliegende Tafel:
Sie zeigt den genannten Konsul. Entsprechend dem Aosta-Exemplar im länglichen Hochformat gefertigt, oben im flachen Giebel geschlossen, mit feingegliederter perlstabartiger doppelter Rahmung. Das Innenfeld wird flankiert von Flachpfeilern, die einen ornamentierten Rundbogen tragen. Darin die stark beriebene Nimbus-Umschrift: „D(omino) N(ostro) HONORIO SEMPER AVGUSTO“. Auf der unteren Leiste die Aufschrift: „PROBVS FAMULVS V(vir) C(larissimus) CONS(ul) ORD(inarius)“. An der glatten Rückseite feine Randprofile.
Das Relief zeigt den Konsul in Rüstung, die Leibbinde geknotet, auf der Brust das Gorgoneion, das Schwert an einem über die Brust ziehenden Riemen. Die Rechte hält einen ovalen Schild, die Linke einen Stab mit abschließender Kugel, hier alters- und gebrauchsbedingt beschädigt.

Zur Altersermittlung der Tafel:
Bei Objekten dieser Seltenheit und des anzunehmenden Alters ist eine besondere Aufmerksamkeit all jenen Indizien geboten, die eine mögliche Datierung ermitteln lassen. So wird vom Vorbesitzer eine Entstehung in der Renaissance für wahrscheinlich gehalten.
Es gebietet sich allerdings, alle denkbaren Argumente für unterschiedliche Annahmen aufzuführen:
Aufgrund vieler in Museen und im Handel befindlicher Elfenbeinarbeiten, die nicht immer eindeutig datiert werden konnten, sind folgende Möglichkeiten in Betracht zu ziehen:
Ist hier an ein Werk der Renaissance zu denken oder an eine Arbeit des 19. Jahrhunderts oder entstammt die Tafel, wie die beiliegenden Gutachten nahelegen, der Originalzeit des beginnenden 5. Jahrhunderts?

Die Gutachten:
Zunächst liegt die Begutachtung eines renommierten Experten für Elfenbein vor. Altersspuren, wie die feinen Trockenrisse werden als Indizien genannt. Ferner werden die korrodierten Stellen erklärt als Umwandlung von biologischer Substanz über einen längeren Zeitraum zu einer „Verkalkung“, was „bei antiken Gebrauchsgegenständen beobachtet“ wird, mit einer Schlussbemerkung „Der Spätantike zuzuordnen“.
Laut den kunstwissenschaftlichen Gutachten (siehe oben) begann das Interesse für Artefakte der Antike bekanntlich zuerst in der Renaissance, dann erst wieder im 19. Jahrhundert. Beispiele dieser beiden Epochen zeigen jedoch, dass stets auf eine ästhetische Wirkung Wert gelegt wurde. Künstliche Abbrüche oder Schäden hatte man an unbedeutenderen Stellen angebracht. Keinesfalls wäre ein derart abgeriebenes Gesicht auf Interesse gestoßen. Zudem hätten die Aosta-Exemplare als Vorlagen gedient haben müssen. Da sie aber erst 1834 aus dem Turmschutt der Kathedrale aufgefunden wurden, stellt sich die Frage, wie in der Renaissance an die Wiederholung einer solchen Tafel überhaupt zu denken wäre. Die früheste Fotoabbildung erfolgte erst gegen Ausgang des 19. Jahrhunderts, was eine Fälschung davor schwerlich annehmen lässt.

Unterschiede zu den Tafeln in Aosta:
Im Gegensatz zur Tafel in Aosta, bei der zwischen den Wörtern der Beschriftung jeweils Trennungspunkte zu sehen sind, wurde bei vorliegender Tafel darauf verzichtet. Solches finden wir auch an anderen Beispielen dieser Zeit.
Auffällig ist der starke Abrieb der Reliefhöhen, besonders am Gesicht sowie an der Rüstung. Auf die Wiederholung des Schwertknaufes in Form eines Adlerkopfes (Aosta) hätte eine Nachbildung wohl Wert gelegt. Da bereits in der Forschung (Delbrück, s. Lit.) bei solchen Tafeln von einer noch jahrhundertelangen Verwendung im kirchlichen Gebrauch bis ins späte Mittelalter die Rede ist, lassen sich diese Abnutzungen gut darauf zurückzuführen.
Hierzu noch eine weitere Beobachtung: Der Konsul ist (wie der Kaiser im Gegenstück) mit einem Nimbus dargestellt. Das mag im Mittelalter dazu geführt haben, dass der Konsul als Heiliger interpretiert werden konnte. Eine genaue historische Klärung wie sie uns heute vorliegt, dürfte im kirchlichen Gebrauch des Mittelalters wohl kaum bekannt gewesen sein. Es lässt sich feststellen, dass sich die Inschrift unter dem Rundbogen am Beginn links mehr, in der Folge weniger abgerieben zeigt. Die Platte wurde also, wie die Inschrift, über Jahrhunderte hinweg einer üblichen Handhabung entsprechend, von links nach rechts gereinigt und berieben. Das würde nicht nur den anfänglich stärkeren Abrieb der Schrift, sondern auch den nach rechts erfolgten Abbruch des Stabes erklären.
So sprechen etliche Indizien und die darauf basierenden Gutachten dafür, dass es sich um ein Objekt des 5. Jahrhundert, handeln kann. Die Meinung zweier Kunsthistoriker im beiliegenden Gutachten halten eine Entstehung der Tafel im Jahr 405 für plausibel (s. Beilagen).
Der gebotenen Vorsicht und der Meinung, es könnte sich hier um eine Arbeit der Renaissance handeln, stehen also die in den Gutachten aufgeführten Beobachtungen und Indizien gegenüber. So kann davon ausgegangen werden, dass es sich tatsächlich um eine Tafel des Paares des genannten Konsulardiptychons handelt.

Literatur (Auswahl):
Richard Delbrück, Die Consulardiptychen und verwandte Denkmäler (=Studien zur spätantiken Kunstgeschichte, Bd. 2), Text- und Tafelband, Berlin 1929.
Richard Delbrück. Spätantike Kaiserporträts. Von Constantinus Magnus bis zum Ende des Westreichs (= Studien zur spätantiken Kunstgeschichte, Bd. 8), Berlin/ Leipzig 1933.
Wolfgang Fritz Volbach, Elfenbeinarbeiten der Spätantike und des frühen Mittelalters, Römisch-Germanisches Zentralmuseum zu Mainz (Hrsg.), Kat. 7, Mainz 1952, Neuauflage Mainz 1976.
Alan Cameron, A Note on Ivory Carving in Fourth Century Constantinople, in: American Journal of Archaeology, 86, 1982, S. 126-129.
Kim Bowes, Ivory lists: Consular Diptychs, Christian appropriation and polemics of time in Late Antiquity, in: Art History, 24, Dezember 2003, S. 338-357.
Alan Cameron, The Probus Diptych and Christian Apologetic, in: Amirav Hagit u.a. (Hrsg.), From Rome to Constantinople. Studies in Honour of Averil Cameron, Leuven 2007, S. 191-202.
Gudrun Bühl, Anthony Cutler, Arne Effenberger (Hrsg.), Spätantike und byzantinische Elfenbeinbildwerke im Diskurs, Wiesbaden...

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08 Dec 2022
Germany, Munich
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Höhe: 29,5 cm.
Breite: 13 cm.
Elfenbeinplattenstärke: 1 cm, leicht konvex gewölbt.
Wohl 406. n. Chr. In spezialgefertigter moderner Kassette.

Elfenbein, hell-honigbraune Patina, an der Rückseite dunkler, feine Schwundrisse im Elfenbein, partiell Korrosionen, Abriebe an den Höhen der Reliefseite.
H. 29,4 cm. Br. 13 cm. Elfenbeinplattenstärke 1 cm.,
(Maße der Elfenbeintafeln in Aosta: 29,9 x 13,1 cm.)
leicht konvex gewölbt. Ca. 384 Gramm. Drei Lochungen in der linken Rahmenleiste, üblicherweise ehemals mit Edelmetallnieten versehen, die obere Lochung mit kleinem altem Ausbruch. Der Stab im oberen Teil teilweise ausgebrochen.
Museale Elfenbeintafel für den Konsul Flavius Anicius Petronius Probus entsprechend dem Exemplar um 406 im Domschatz Santa Maria Assunta zu Aosta, Italien.

Beigegeben ein Sachverständigengutachten für Elfenbein, Matthias Streckfuß, Berlin, vom 20.9.2019.
Gutachten Dr. Alexander Rauch, München-Leipzig, darin Ergebniszustimmung von Dr. Werner Schäfke, Althistoriker und Kunsthistoriker in Köln, 2022.
CITES-Dokument, Köln, vom 9. Januar 2020.
Sowie umfangreiches Literaturmaterial beigeben.

Zu Beginn des 5. Jahrhunderts entsteht im politischen Zusammenhang mit der Erhebung eines hohen römischen Beamten in die Konsulatswürde eine neue Kunstgattung: die sogenannten „Konsulardiptychen“.
Dabei haben wir es regelmäßig mit zwei reliefierten Elfenbeintafeln zu tun, die, Buchdeckeln entsprechend, im Innern die Amtserhebung eines neuen Konsuls als Schriftstück (Kodizil) enthielten. Die Vorderseite einer der Tafeln zeigt den Herrscher, die zweite den neu ins Amt erhobenen Konsul. Nicht ohne Stolz hat dieser damit zahlreichen Persönlichkeiten, Politikern, Verwandten etc. seinen neuen Rang kundgetan, und zwar in Form solcher in Elfenbein gearbeiteten Diptychen. Sie wurden gleichzeitig, formgleich und stets in hoher Zahl gefertigt, zur Versendung an die im Ost- und Weströmischen Reich verstreut ansässigen Empfänger. Dies war nötig, um die neu erworbene Amtswürde in Verbreitung mitzuteilen. Entsprechend hoch war auch die Zahl der gleichgestalteten Exemplare (s. u. Lit. Cameron 2013, 176).
1929 hat sich die Forschung grundlegend mit diesen „Konsulardiptychen“ befasst. Dabei hat der Archäologe und renommierteste Autor zum Thema, Richard Delbrück bemerkt: „Der Kreis der Empfänger (solcher gleicher Diptychen) muss groß gewesen sein.“ (s. Lit.). Weitere Untersuchungen (Eastmond, s. Lit.) haben festgestellt, dass um die 100 Exemplare eines einzigen Vorbildes verschickt wurden, wobei ein besonders gestaltetes Exemplar, oft vergoldet und bemalt, jeweils der Kaiser als Dank für die Auszeichnung erhielt.
Die Werkstätten dafür befanden sich überwiegend im westlichen Rom, wie auch in Trier, Arles, Ravenna oder Mailand. Nach Meinung des Experten spricht im vorliegenden Fall manches für eine Fertigung in Konstantinopel, da Honorius Kaiser in Ostrom war. Von den vielen Exemplaren haben sich nur wenige, oft nur ein einziges, erhalten. Eines der Bekanntesten befindet sich im Domschatz-Museum Santa Maria, in Aosta, Italien. Dort sind beide Tafeln erhalten.
Das uns hier vorliegende Exemplar, das den Konsul zeigt, entspricht formal dem besser erhaltenen in Aosta.

Die Tafeln im Museum zu Aosta:
Die dort befindlichen beiden Tafeln zeigen den Kaiser Honorius, der den Konsul ins Amt erhoben hat. Flavius Honorius, geb. 384 in Konstantinopel, war ab 395 Kaiser (erst im Knabenalter, durch den Heerführer Stilico vertreten) und starb 423 in Ravenna. Sein Reliefbild zeigt ihn in Rüstung mit Kugel, darauf Victoria, sowie einer Standarte, beschriftet: „IN NOMINE CHRISTI VINCAS SEMPER“ (im Namen Christi wirst du immer siegen). Das Gegenstück zeigt – wie auch hier – den Konsul
Flavius Anicius Petronius Probus
(im Amt 395-406). Er entstammte einer wohlhabenden Familie und war Sohn des Konsuls Sextus Claudius Petronius Probus. Im Jahre 395 wurde er von Kaiser Honorius zum Quästor ernannt, 406 zum Konsul, im Kollegium des oströmischen Kaisers Arcadius.

Die hier vorliegende Tafel:
Sie zeigt den genannten Konsul. Entsprechend dem Aosta-Exemplar im länglichen Hochformat gefertigt, oben im flachen Giebel geschlossen, mit feingegliederter perlstabartiger doppelter Rahmung. Das Innenfeld wird flankiert von Flachpfeilern, die einen ornamentierten Rundbogen tragen. Darin die stark beriebene Nimbus-Umschrift: „D(omino) N(ostro) HONORIO SEMPER AVGUSTO“. Auf der unteren Leiste die Aufschrift: „PROBVS FAMULVS V(vir) C(larissimus) CONS(ul) ORD(inarius)“. An der glatten Rückseite feine Randprofile.
Das Relief zeigt den Konsul in Rüstung, die Leibbinde geknotet, auf der Brust das Gorgoneion, das Schwert an einem über die Brust ziehenden Riemen. Die Rechte hält einen ovalen Schild, die Linke einen Stab mit abschließender Kugel, hier alters- und gebrauchsbedingt beschädigt.

Zur Altersermittlung der Tafel:
Bei Objekten dieser Seltenheit und des anzunehmenden Alters ist eine besondere Aufmerksamkeit all jenen Indizien geboten, die eine mögliche Datierung ermitteln lassen. So wird vom Vorbesitzer eine Entstehung in der Renaissance für wahrscheinlich gehalten.
Es gebietet sich allerdings, alle denkbaren Argumente für unterschiedliche Annahmen aufzuführen:
Aufgrund vieler in Museen und im Handel befindlicher Elfenbeinarbeiten, die nicht immer eindeutig datiert werden konnten, sind folgende Möglichkeiten in Betracht zu ziehen:
Ist hier an ein Werk der Renaissance zu denken oder an eine Arbeit des 19. Jahrhunderts oder entstammt die Tafel, wie die beiliegenden Gutachten nahelegen, der Originalzeit des beginnenden 5. Jahrhunderts?

Die Gutachten:
Zunächst liegt die Begutachtung eines renommierten Experten für Elfenbein vor. Altersspuren, wie die feinen Trockenrisse werden als Indizien genannt. Ferner werden die korrodierten Stellen erklärt als Umwandlung von biologischer Substanz über einen längeren Zeitraum zu einer „Verkalkung“, was „bei antiken Gebrauchsgegenständen beobachtet“ wird, mit einer Schlussbemerkung „Der Spätantike zuzuordnen“.
Laut den kunstwissenschaftlichen Gutachten (siehe oben) begann das Interesse für Artefakte der Antike bekanntlich zuerst in der Renaissance, dann erst wieder im 19. Jahrhundert. Beispiele dieser beiden Epochen zeigen jedoch, dass stets auf eine ästhetische Wirkung Wert gelegt wurde. Künstliche Abbrüche oder Schäden hatte man an unbedeutenderen Stellen angebracht. Keinesfalls wäre ein derart abgeriebenes Gesicht auf Interesse gestoßen. Zudem hätten die Aosta-Exemplare als Vorlagen gedient haben müssen. Da sie aber erst 1834 aus dem Turmschutt der Kathedrale aufgefunden wurden, stellt sich die Frage, wie in der Renaissance an die Wiederholung einer solchen Tafel überhaupt zu denken wäre. Die früheste Fotoabbildung erfolgte erst gegen Ausgang des 19. Jahrhunderts, was eine Fälschung davor schwerlich annehmen lässt.

Unterschiede zu den Tafeln in Aosta:
Im Gegensatz zur Tafel in Aosta, bei der zwischen den Wörtern der Beschriftung jeweils Trennungspunkte zu sehen sind, wurde bei vorliegender Tafel darauf verzichtet. Solches finden wir auch an anderen Beispielen dieser Zeit.
Auffällig ist der starke Abrieb der Reliefhöhen, besonders am Gesicht sowie an der Rüstung. Auf die Wiederholung des Schwertknaufes in Form eines Adlerkopfes (Aosta) hätte eine Nachbildung wohl Wert gelegt. Da bereits in der Forschung (Delbrück, s. Lit.) bei solchen Tafeln von einer noch jahrhundertelangen Verwendung im kirchlichen Gebrauch bis ins späte Mittelalter die Rede ist, lassen sich diese Abnutzungen gut darauf zurückzuführen.
Hierzu noch eine weitere Beobachtung: Der Konsul ist (wie der Kaiser im Gegenstück) mit einem Nimbus dargestellt. Das mag im Mittelalter dazu geführt haben, dass der Konsul als Heiliger interpretiert werden konnte. Eine genaue historische Klärung wie sie uns heute vorliegt, dürfte im kirchlichen Gebrauch des Mittelalters wohl kaum bekannt gewesen sein. Es lässt sich feststellen, dass sich die Inschrift unter dem Rundbogen am Beginn links mehr, in der Folge weniger abgerieben zeigt. Die Platte wurde also, wie die Inschrift, über Jahrhunderte hinweg einer üblichen Handhabung entsprechend, von links nach rechts gereinigt und berieben. Das würde nicht nur den anfänglich stärkeren Abrieb der Schrift, sondern auch den nach rechts erfolgten Abbruch des Stabes erklären.
So sprechen etliche Indizien und die darauf basierenden Gutachten dafür, dass es sich um ein Objekt des 5. Jahrhundert, handeln kann. Die Meinung zweier Kunsthistoriker im beiliegenden Gutachten halten eine Entstehung der Tafel im Jahr 405 für plausibel (s. Beilagen).
Der gebotenen Vorsicht und der Meinung, es könnte sich hier um eine Arbeit der Renaissance handeln, stehen also die in den Gutachten aufgeführten Beobachtungen und Indizien gegenüber. So kann davon ausgegangen werden, dass es sich tatsächlich um eine Tafel des Paares des genannten Konsulardiptychons handelt.

Literatur (Auswahl):
Richard Delbrück, Die Consulardiptychen und verwandte Denkmäler (=Studien zur spätantiken Kunstgeschichte, Bd. 2), Text- und Tafelband, Berlin 1929.
Richard Delbrück. Spätantike Kaiserporträts. Von Constantinus Magnus bis zum Ende des Westreichs (= Studien zur spätantiken Kunstgeschichte, Bd. 8), Berlin/ Leipzig 1933.
Wolfgang Fritz Volbach, Elfenbeinarbeiten der Spätantike und des frühen Mittelalters, Römisch-Germanisches Zentralmuseum zu Mainz (Hrsg.), Kat. 7, Mainz 1952, Neuauflage Mainz 1976.
Alan Cameron, A Note on Ivory Carving in Fourth Century Constantinople, in: American Journal of Archaeology, 86, 1982, S. 126-129.
Kim Bowes, Ivory lists: Consular Diptychs, Christian appropriation and polemics of time in Late Antiquity, in: Art History, 24, Dezember 2003, S. 338-357.
Alan Cameron, The Probus Diptych and Christian Apologetic, in: Amirav Hagit u.a. (Hrsg.), From Rome to Constantinople. Studies in Honour of Averil Cameron, Leuven 2007, S. 191-202.
Gudrun Bühl, Anthony Cutler, Arne Effenberger (Hrsg.), Spätantike und byzantinische Elfenbeinbildwerke im Diskurs, Wiesbaden...

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Germany, Munich
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